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Die Policey-Ordnung

Das Richard-Brandt-Heimatmuseum sammelt neben heimatgeschichtlich interessanten Objekten auch Bücher, die für die Geschichte der Wedemark von Interesse sind. In der in diesem Jahr neu gestalteten Lese-Ecke des Museums ziehen daher auch immer mal wieder neue Werke ein. Diese Neuzugänge und auch andere schon länger vorhandene Bücher wollen wir Ihnen gerne in loser Folge vorstellen und dabei jeweils ein paar Besonderheiten alter Bücher genauer betrachten. Den Anfang macht ein Buch, welches das Museumsteam erst vor Kurzem mit finanzieller Unterstützung des Fördervereins ersteigert hat. Es handelt sich um die Policey-Ordnung aus dem Jahr 1700.

 

Auf den ersten Blick unterscheidet sich ein 300 Jahre altes Buch nicht von heutigen Büchern - mal abgesehen von der heutzutage üblichen farbigen Covergestaltung. Bei einem genaueren Blick sind aber große Unterschiede zu entdecken.

 

Die Titelseite

 

Die Buchherstellung in früheren Jahrhunderten ist nicht mit der modernen Buchproduktion zu vergleichen. Daher machen wir zunächst einen kurzen Exkurs in die Welt des Buchdruckes: Wenn wir uns heute über den Inhalt eines Buches informieren wollen, finden wir auf der Rückseite meist einen Kurztext oder auch einen Klappentext auf den Einschlagklappen des Schutzumschlages. Diese Informationsmöglichkeit gab es ursprünglich nicht, denn Bücher wurden zunächst ungebunden verkauft.

 

In frühen Drucken war somit die Titelseite die erste gedruckte Seite des Buches. Ihr konnte ein Frontispiz oder Bildertitel vorgeschaltet werden - eine dekorative oder informative Abbildung, die von den meisten Buchbindern der Titelseite gegenüber gebunden wurde. Im Fall der Policey-Ordnung ist dort das Porträt des damals regierenden Georg-Wilhelm, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg (1624-1705) abgedruckt.

 

Die Titelseite war bis zur Entstehung der industriellen Buchproduktion Mitte des 19. Jahrhunderts die wichtigste Seite des zum Verkauf anstehenden Buches und lag obenauf. Die Seiten darunter waren noch unaufgeschnitten und konnten nicht eingesehen werden. Der Grund dafür war die Anordnung der verschiedenen Seiten auf dem Druckbogen. Jeder Druckbogen wurde anschließend nach einem festgelegten Schema gefalzt, so dass im fertigen Buchblock die Seiten in der korrekten Reihenfolge vorlagen. Erst der Buchbinder schnitt die Seiten auf. Kaufinteressenten konnten sich daher nur mithilfe der Angaben auf dem Titelblatt über den Inhalt des Buches informieren. Für Bibliothekare ist die Titelseite immer noch das Maß der Dinge, denn die Angaben auf dem Cover können auch heute noch durchaus vom Titelblatt abweichen.

Titelseiten wurden zudem oft im Überschuss gedruckt und in Buchhandlungen ausgehängt; sie fungierten damit als gedruckte Buchwerbung. Oft stand daher auf der Titelseite nur ein einziger langer, graphisch untergliederten Satz, der zuerst den Titel nannte, dann den Inhalt zusammenfasste, den Autor oder sein Pseudonym nannte und mit dem Impressum abschloss, also den Angaben zu Verlagsort, Verleger und Jahr des Druckes.

 

Es handelt sich bei der Policey-Ordnung somit um die zweite Auflage (wieder auffgelegt), die von Nicolaus Förster (1656 - 1732) und Hieronymus Friedrich Hoffmann (1682 - 1740) in Hannover bzw. Celle gedruckt wurde. Beide waren Verleger und Buchhändler in einem. Nicolaus Förster war außerdem auch als Drucker tätig.

 

Der Fingerprint

 

Da es ISB-Nummern erst seit 1972 gibt ( = Norm ISO 2108) werden die verschiedenen Drucke bei alten Büchern wie der Policey-Ordnung mithilfe des sogenannten Fingerprint auseinandergehalten. Dabei handelt es sich um eine Folge von Zeichen, die von festgelegten Seiten und Zeilen eines gedruckten Buches entnommen werden.

 

Das Exemplar im Heimatmuseum hat den Fingerprint “ndch h-g- enen VoDa 3 1700A”, ebenso wie die Exemplare in der Staats-und Unversitätsbibliothek Göttingen, der Universitätsbibliothek Erfurt, der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, der Anna-Amalia-Bibliothek Weimar, der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle und der Universitätsbibliothek Leipzig. Die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel besitzt noch einen weiteren Druck mit dem Fingerprint “n-en h-g- enen VoDa 3 1700A”, der auch in der Staatsbibliothek Berlin, der Sächsischen Landesbibliothek Dresden sowie der Bayrischen Staatsbibliothek München zu finden ist.

 

Der Inhalt

 

Der Inhalt des Buches ist ganz am Ende in einem Register zusammengefasst und umfasst Vorschriften zu Gottesdiensten, Verlobungen, Hochzeiten, Taufen sowie Steuern, Maße und  Gewichte, Münzen, Zoll und viele weitere Regelungen.

 

Auch Feierlichkeiten sind in der Policey-Ordnung geregelt. So war es bei einer Strafe von 50 Reichstalern verboten, Mummenschanz (niedersächsischer Ausdruck für Karneval) zu feiern. In zahlreichen Orten in Nordwestdeutschland wurde damals zwischen Dreikönigstag und Aschermittwoch “Fastelabend” gefeiert. Diese Feierlichkeiten waren oft von Übermut, Spontaneität und Schrankenlosigkeit geprägt und mit Tanz und Verkleidungen (Mummenschanz) verbunden. Der seit dem 16. Jahrhundert bezeugte Begriff Mummenschanz bezeichnete zunächst die „Lustbarkeit vermummter Gestalten“ in Gestalt eines Glücksspiels mit Würfeln, das vorwiegend zur Fastnachtszeit gespielt wurde. Doch bald verstand man darunter das närrische Treiben vermummter Personen.

 

In der Polizeiordnung wurden die Feierlichkeiten vollständig verboten wie die beiden folgenden Bilder zeigen:

 

Das Geheimnis

 

Das vorliegende Buch wurde 1701 gebunden, so ist es jedenfalls auf dem Einband vermerkt. Und auch wer dieses Buch gekauft hat und die Bindung in Auftrag gab können wir heute noch direkt am Einband ablesen. Dort sind die Buchstaben D. R. Z. N. eingeprägt. Dabei handelt es sich um ein Supralibros, ein Monogramm, mit dem der Besitz des Buches gekennzeichnet wurde. Wer allerdings D. R. Z. N. war oder was diese Abkürzung bedeuten könnte, ist bisher nicht entschlüsselt worden.

 

Das Buch ist zwischenzeitlich in die Vitrine der Leseecke eingezogen und kann dort bewundert werden. Und wer jetzt Lust bekommen hat, etwas länger in diesem Buch zu lesen, kann hier eine digitale Version finden.

 


Bildquellen:

Vorder- und Rückseite eines Druckbogens: Wikipedia, gemeinfrei

Übrige Fotos: Richard-Brandt-Heimatmuseum Wedemark