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Hinrich Braasch alias Hinnerk ut de Heid

Hinrich Braasch war Heimatdichter, Liebhaber der plattdeutschen Sprache und ein Zeitgenosse von Hermann Löns. Fast 40 Jahre war Braasch in Bissendorf als Lehrer tätig. Heute erinnert die Hinrich-Braasch-Straße an den Bissendorfer Ehrenbürger und das Richard-Brandt-Heimatmuseum Wedemark zeigt einige Exponate des Dichters. Anlass genug ihm in unserer „Sonntags im Museum“-Blogreihe einen eigenen Beitrag zu widmen.

 

Hinrich Braasch wurde am 21. 07. 1878 als Sohn von Johann Adolph Braasch und dessen Frau Mette (geb. Wiebusch) in Kutenholz bei Stade geboren. In seiner Jugendzeit hat er auf dem elterlichen Hof als Hütejunge gearbeitet und ab 1892 für drei Jahre die Präparanda (untere Stufe der Volksschulausbildung) in Selsingen besucht, um sich auf den Besuch des Lehrerseminars vorzubereiten. Dieses besuchte er anschließend in Stade und bestand dort 1902 das erste und 1904 das zweite Lehrerexamen. Wie er in einem kleinen Spottgedicht selbst beschreibt, hatte er sich in Stade während seines Studiums von hübschen Mädchen zu sehr ablenken lassen, so dass es bei dem zweiten Lehrerexamen zu einer einjährigen Verzögerung kam:

 

„Der Vater sprach mit Ernst:

Sieh zu, dass du was lernst!

Vor allem lass das Äugeln sein

Nach schönen Stader Mägdelein,

Weil dir das wenig frommt,

Wenn das Examen kommt!“

 

Ab Oktober 1900 leistete er für ein Jahr einen freiwilligen Militärdienst beim “Leibgrenadierregiment Friedrich Franz“ in Schwerin. Dort muss Braasch den Bruder seiner späteren Frau und anscheinend durch ihn auch diese kennengelernt haben, denn gleich nach seiner Entlassung in Schwerin zog es ihn nach Schleswig-Holstein. Da er jedoch vor und nach der Militärzeit als Lehrer in Nieder Ochtenhausen tätig war, musste er sich etwas einfallen lassen, um ein bisschen freie Zeit zu erhalten.

 

Folgende Begebenheit ist dazu überliefert und in der Bissendorfer Chronik (Band 6) erhalten geblieben: “Braasch musste in seiner Schulstube einen großen Kachelofen bedienen, der schon sehr alt und nicht mehr sehr stabil war, was er wohl wusste. Da es kalt war, hatte er den Ofen in Betrieb genommen und mächtig mit Holz beschickt, das er nun auch kräftig durchstokeln musste. Dabei tat er des Guten zu viel und der Ofen fiel beim Stokeln unter Hinterlassung großer Ruß- und Rauchschwaden in sich zusammen. Die Kinder und er verließen fluchtartig den verqualmten Schulraum und Braasch bemühte einen Ofenbauer in Bremervörde, der den Ofen neu setzen sollte. Dieser erklärte ihm, dass der Bau des neuen Ofens mindestens 14 Tage dauern würde und der Unterricht so lange ausfallen müsste. Diesen Freizeitgewinn nutzte Braasch sofort, um nach Schleswig-Holstein zu eilen. Sein Kollege auf der Schule jedenfalls meinte spöttisch, deshalb hätte er doch nicht gleich den ganzen Ofen und möglicherweise die ganze Schule zerstören müssen.”

 

Seine Werbung war von Erfolg gekrönt und am 21. Juli 1904 heiratete er schließlich seine Braut Sophie Luise Emilie Peters

(* 08.10.1883,20.08.1964) in Gremsmühlen: Eine „Hochzeit inmitten grünumhügelter holsteinischer Seen!“ Und Braasch hatte noch weitere Ziele vor Augen: „So schön de iersten Amtsjahrn in mien stille, unverdorbenen Dörp för mi wüürn, … eck keum nich van den Gedanken af, doch bald wegtogahn. Jümmer leeg mi de Landeshauptstadt in’n Sinn, de ole schöne, ihrwürdige Stadt.“ In Hannover leben wollte er aber nicht, da wäre er, wie er selbst gesagt hat, „versauert“. Und so fügte sich für ihn alles zusammen, als ihm kurz nach der Trauung die Stelle des zweiten Lehrers in Bissendorf angeboten wurde. Die Braaschs zogen daher in die geräumige Lehrerwohnung der Bissendorfer Volksschule, die erst 1880 neu hergerichtet worden war. Das Gehalt für diese Stelle als zweiter Lehrer betrug damals ca. 900 RM / Jahr. 1923 wurde ihm, nach dem Tod des Lehrers Friedrich Wilhelm Schmieta, die höher dotierte erste Lehrerstelle, die mit dem Organisten-Dienst verbunden war, angeboten. Diese Stelle lehnte er jedoch ab, weil er sich nicht durch das Orgelspielen jeden Sonntag, bei Beerdigungen und bei Trauungen binden lassen wollte.

 

Da er sich intensiv seiner Dicht- und Erzählkunst widmete, die ihn auch viel nach auswärts verpflichtete, hatte er während seiner Dienstzeit als Lehrer oft ein schlechtes Gewissen, ob er seinen erlernten Beruf nicht zu sehr vernachlässigte. Deshalb beantragte er 1938 mit 60 Jahren seine vorzeitige Pensionierung. Der Ausbruch des Krieges machte seinen Ruhestandsplänen jedoch ein Ende. Er wurde reaktiviert und setzte bis 1943 seine Tätigkeit als Lehrer in der Grundschule fort.

 

Am 24.06.1932 kaufte er sich das ehemalige Lusthaus im großen Amtsgarten, das er Urfried “taufte”. Bis zu seinem Tode hat er dort gelebt und gearbeitet. Die Ersteigerung dieses fünf Morgen großen Grundstückes hat er in einer lustigen, plattdeutschen Version beschrieben. Im Lauf seines Lebens erhielt er viele Auszeichnungen und Ehrungen für seine Aktivitäten zur Erhaltung der plattdeutschen Sprache. So hat er bspw. 1925 im Rahmen einer plattdeutschen Großveranstaltung im Kuppelsaal der Stadthalle in Hannover aus seinen Werken gelesen. Es folgten viele plattdeutsche Radiosendungen für unterschiedliche Sender. Außerdem gründete er eine Volkstanzgruppe, unternahm mit ihr Fahrten in Niedersachsen und zeigte sein Können auch auf der Funkausstellung in Berlin. 1954 erhielt er das Bundesverdienstkreuz I. Klasse.

Eine Sammlung vieler seiner Werke wurde 1978 in den Hannoverschen Geschichtsblätter herausgegeben. Braasch hat spontan bei manchen Feiern, bei denen er eingeladen war, als Dank am nächsten Tag kürzere oder längere Gedichte verfasst und an die Gastgeber geschickt, so dass vermutlich noch viele bisher nicht veröffentlichte Werke existieren. 

 

Daneben verfasste er Hörspiele, schnitzte eigenhändig Kasperfiguren und belustigte mit Unterstützung seiner Familie damit sein Publikum. Das Bissendorfer Ortswappen wurde ebenfalls von Braasch entworfen: „…, das eck för uns‘ Gemeen dat Wappen utklamüsert heff, den Pielerkopp van dat Portal to unserm olen Amtshus.“

 

Braasch war auch als Beauftragter für Natur- und Landschaftsschutz für den nördlichen Kreis Burgdorf tätig. Für den Erhalt und die Renovierung des Amtshauses in Bissendorf setzte er sich ein: „Worüm muss de ole, ansehnliche Boo mi jümmer toropen: Schall ech hier denn bi lütten verfallen un verkommen? Dinkt dor keen Minsch över na, wat eck in de Dörpsgeschichte bedüen do?“ Und konnte 1957 erleben, wie die Gemeindeverwaltung in das Gebäude einzog. In einem Brief schrieb er dazu: „Min ole bröderliche Fründ! Mihr Glück heff eck mit uns ole Amtshus hatt, wat jo bald uns‘ feine Rathus wierd un wo de Reparatschon al fix in’n Gang is. Dat ole Geböd‘ is meist nich weller to erkennen, un Du kunnst wegen süm Ankieken al mal kommen.“ Seine alte Schule mit der Lehrerwohnung wurde dagegen 1964 abgerissen. 

Er starb am 16.02.1968 im Alter von 89 Jahren in seinem Haus “Urfried” in Bissendorf. Seine Ruhestätte ist auf dem Bissendorfer Friedhof in der Nähe der Friedhofskapelle zu finden. Als Erinnerung an den Dichter gibt es bis heute die eingangs erwähnte Hinrich-Braasch-Straße in Bissendorf und den Hinrich-Braasch-Weg in Kutenholz. In beiden Orten war Braasch Ehrenbürger.

 

In der Gemeindebibliothek sind einige Braasch Werke vorhanden, wie z.B. “De ole Harmonika”, “Jan van’n Dörpen” und “Hinnerk ut de Heid”. Einige Texte von Braasch sind im Buch „Döneken“ von Cord Knibbe und Rainer Roscher veröffentlicht worden. Und auch im Richard-Brandt-Heimatmuseum wird an Braasch erinnert: Die Kasperlefiguren, eine von Ursula Greve geschaffene Büste Braaschs und weitere Exponate sind in der Dauerausstellung zu besichtigen.


Textquellen

Der Beitrag beruht auf den in den Bissendorfer Hofgeschichten (Band 6) und der Bissendorfer Bilderchronik (Band 2) überlieferten Informationen. Die plattdeutschen Zitate stammen aus den Hannoverschen Geschichtsblättern, 1987, Nr. 32

 

Bildquellen

Vorschaubild: Unterschirft Braasch, Wikipedia gemeinfrei

Braasch am Schreibtisch und Ehepaar Braasch: Bissendorfer Bilderchronik, Band 2

Haus Urfried: Wikipedia, Werk von ukko.de, CC-BY-3.0

Ehrenurkunde, Kasperlfiguren und Büste: Richard-Brandt-Heimatmuseum Wedemark