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Das Kavalierhaus

 

Seit 1999 ist die Sammlung des Richard-Brandt-Heimatmuseums sowohl im Alten Amtskrug, dem wir den vorherigen “Sonntags-im -Museum-Bericht” gewidmet haben, als auch im Kavalierhaus zu finden. Im folgenden Beitrag widmen wir uns nun der (Bau-) Geschichte dieses kleinen Gebäudes.

 

Inhaber

 

Ursprünglich gehörte das Kavalierhaus zum benachbarten Amtshof und diente als Gästehaus des Amtsvogtes. So soll Gottfried August Bürger 1785 bei der Hochzeit mit seiner Molly dort gewohnt haben. Auch Feldschere und Amtschirurgen, die für die ärztliche Versorgung in Bissendorf sorgten, wurden häufig dort untergebracht. Das heute als Amtshaus bezeichnete große Gebäude an der linken Seite des Kavalierhauses diente damals als Wohngebäude des Amtsvogtes. Das dazugehörige Dienstgebäude befand sind direkt an der Burgwedeler Str. und wurde 1957 abgerissen.

 

Auf einer nicht maßstabsgerechten Karte von 1874 sind die Gebäude verzeichnet und von einer Mauer umgeben, jedoch ist das Kavalierhaus ausgegrenzt. Zu dieser Zeit gehörte es längst nicht mehr zum Amtshof sondern zum benachbarten Duschen-Hof, dem Hof Nr. 44.  Etwa um 1820 soll das Haus als sogenanntes “kleines Haus” (Altenteilerhaus) von Christoph Heinrich Ahrbeck, dem damaligen Inhaber des Duschen-Hofes gekauft worden sein. Einen schriftlichen Kaufvertrag darüber gibt es nicht (mehr), so dass sich der genaue Zeitpunkt des Überganges wohl nicht mehr feststellen lässt. Eine sehr schöne Sicht auf das Ensemble bietet das Modell des Bissendorfer Ortskerns von Manfred Sievers.

Alter und Besonderheiten des Baues

Das Baujahr des Kavalierhauses ist an der Inschrift der Südwand erkennbar: ANNO: DOMINI: 1620: RODER STOCKMAN. Es könnte sich hierbei um den Zimmermann, der das Hinterhaus errichtet hat, handeln. Da die damaligen Baumeister jedoch eigentlich nur Abkürzungen ihrer Namen als Monogramm in das Holz geschnitzt haben, könnte Stockman möglicherweise stattdessen der erste Eigentümer des Hauses gewesen sein.

Diese Seite des Gebäudes wurde zu einem bisher nicht bekannten Zeitpunkt bis zum ersten Stock um 30 cm nach außen verschoben und völlig neu gebaut. Auf alten Fotos ist dies gut zu erkennen. Bei Reparaturarbeiten Ende 1996 kam bei Entfernung der Fachwerkfüllung an der Südwestecke eine mit  Tauband verzierte Rolle zum Vorschein, wie sie auf der Nordseite noch gut erhalten ist. Die Südwand wurde 1997 in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt, so dass sich die Ansichten des Gebäudes von der Ost- und Westseite heute wieder symmetrisch präsentieren.

Die Schwellenbalken (Übergang von Erd- und Obergeschoss) an der Ost- und Westseite des Gebäudes zeigen jeweils deutlich längere Inschriften. So steht an der Ostwand (Richtung Burgwedeler Straße) ein verstümmelter, nicht verständlich lesbarer Spruch, der ergänzt folgendermaßen lautet: IM: GELUCHKE : VORLEBEDT : JU : NICHT : IM : UNGELUCHKE : VORZAGEDT : NICHT : WENTE : GOD : IST : DER : MAN : DE : GELUCHK: UND : UNGELUCHK : WENDEN : KAN.

Hochdeutsch bedeutet dieser Spruch: Im Glück sei nicht übermütig, im Unglück verzage nicht, denn Gott ist der Mann, der Glück und Unglück wenden kann.

Die Klärung des Spruches an der Westseite des Kavalierhauses über der Eingangstür gelang erst im Anfang 1997 mit Hilfe eines Denkmalpflegers und Inschrift-Spezialisten der Universität Göttingen. Ganze Worte waren an dieser Hausseite nicht mehr vorhanden, dennoch konnte die niederdeutsche Inschrift entschlüsselt werden. Hilfreich war dabei die Tatsache, dass derselbe Spruch auf dem Grabstein des ehemaligen Amtsvogt Cordt von Bestenbostel steht, der sich heute im Turm der St. Michaeliskirche an der Westseite innen links vom Eingang befindet. Dort steht

ALSO HEFT GOT DE WERLT GELEVET DAT HE SINEN EINIGEN SO NE GAF UP DAT ALLE DE AN EN GELOVEN NICHT VORLAREN WERDEN SUNDER DAT EWIGE LEVENT HEBBEN

Am Kavalierhaus steht der Spruch etwas verändert, wobei die in grau geschriebenen Buchstaben und Worte vor der Entschlüsselung fehlten:

UP : DAT : AL : DE : AN : EM : GELOVEN : NICHT : VERLOREN : WERDEN :SONDERN :DAT: EWIGE : LEVEN : HEBBEN: GODT : HEFT : SINEN : SON : GEVEN.

Es handelt sich um die vereinfachte plattdeutsche Form von Vers 16 aus Kapitel 3 des Evangelium nach Johannes: “Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.” Möglicherweise wurde der Spruch auf Wunsch des Amtsvogtes Bestenbostel am Kavalierhaus angebracht. Ein Nachweis dafür gibt es jedoch nicht.  

Die am ganzen Gebäude sichtbaren kleinen verzierten Holzwinkel (Knaggen), haben eine abstützende Funktion für herausragende Holzteile und sorgen für das Fachwerkgerüst für eine Verwindungsversteifung, ähnlich den Kopf- und Fußbändern.

Unter den beschrifteten Schwellenbalken, die jeweils die Wände des ersten Stockes tragen, sind ähnlich wie beim benachbarten Gebäude des Amtshauses, reich verzierten Rollen sichtbar. Die Nordwand zeigt in dieser Höhe ein abgewandeltes Zackenfries, das vermutlich dem gegenüberstehenden Wohnhaus des Amtsvogtes angepasst ist.

Restaurierung

Bis Anfang der 1970er Jahre war das Kavalierhaus bewohnt. Kurz vor der Jahrtausendwende erfolgte dann zeitgleich mit der Reparatur der Südwand auch die Sanierung des ganzen Hauses - für rund 250.000 Mark. Diese Summe wurde aus Einzel- und Firmenspenden, Gelder der Niedersächsischen Sparkassenstiftung dem Dorferneuerungsprogramm des Amtes für Agrarstruktur aufgebracht. Auch der Verschönerungs- und Naturschutzverein Bissendorf hat eine Sammelaktion für das Kavalierhaus veranstaltet, das Haus komplett ausgeräumt und nach der Fertigstellung wieder hergerichtet.

Im Dezember 1999 waren die umfangreichen Arbeiten beendet. Seither sind in dem Gebäude verschiedene Räume aus dem Beginn des 20. Jahrhundert zu sehen: Küche, Wohnstube und Schlafgemach, die in späteren Beiträgen auch noch genauer beschrieben werden sollen.

Im Obergeschoss sind einige Bilder der Bissendorfer Künstlerehepaares Ursula und Peter Greve aus Bissendorf-Wietze ausgestellt. Die Werkstatt des Karl Montag bietet einen Einblick in die Arbeit eines Geigenbauers. Außerdem befindet sich dort auch die Ausstellung „Faszination Uhrenwelt“ von Reimer Timm und Manfred Hulacz sowie die umfangreiche Fossiliensammlung des Ehepaares Sommers. 

Weitere Informationen zum Kavalierhaus sowie Fotos und Kartenausschnitte sind in den Bissendorfer Hof- und Familiengeschichten - Bd. 6. von Hellmuth Hahn, Friedrich Lüddecke und Friedrich Thümler zu finden, auf denen auch der hier eingestellte Beitrag basiert.

 


Bildquellen:

Kavalierhaus mit Brunnen - wikipedia, gemeinfrei

Modell Bissendorfer Ortskern - Friedrich Thümler, Manfred Sievers

Galeriebilder:

Links- Kavalierhaus um 1926, Postkartenausschnitt Sammlung Peter Schulze, Bissendorf

Mitte - Staenderbauweise_von Sansculotte _CC BY-SA 2.0 de, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=263762

Rechts- Kavaliershaus_in_Bissendorf_(Wedemark)_IMG_3913_Von losch - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=18656418

Textquelle: Hellmuth Hahn, Friedrich Lüddecke, Friedrich Thümler (2003): Bissendorfer Hof- und Familiengeschichten, Band 6. Selbstverlag