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Eisengewinnung in der Wedemark

Die Gewinnung von Eisen war vor langer Zeit von großer Bedeutung. Geräte, Waffen und Werkzeuge wie Sicheln, Haken, Hufeisen, Beschläge, Pflugscharen usw. wurden aus Eisen hergestellt. Als Rohstoff diente damals in unserer Gegend Raseneisenstein, eine leicht abbaubare Eisenverbindung, die sich unter wechselnden Grundwasserständen bzw. unter Staunässe innerhalb kurzer Zeit in den oberen Bodenschichten auf natürliche Weise bildete. Die Bezeichnung Raseneisenstein rührt daher, dass dieser bei Grundwasser-Böden nah unter der Rasensode entstand und leicht mit Spaten und Hacke gewonnen werden konnte. Der Entstehungszeitraum von Raseneisenstein erstreckte sich je nach Vorkommen über hunderte bis tausende Jahre. In Norddeutschland handelte sich meist um Lagerstätten, die während des Holozäns, also nach der letzten Eiszeit entstanden sind. Vor allem in sandigen Flussauen, die von eisenhaltigem Grundwasser durchströmt wurden, bildete sich Raseneisenstein. Die Flussaue der Wietze und der damals gleichmäßig hohe Grundwasserstand sind der Grund für die Raseneisensteinvorkommen in Langenhagen, Isernhagen, Burgwedel, Wietze und auch in der Wedemark.

 

Für die frühe Bevölkerung entlang der Wietze war die Eisengewinnung einst Haupterwerb. Durch den Abbau des Raseneisensteins entstand dabei die heutige Ackerlandschaft. Die Rodung der Wälder und die Beseitigung der wurzelundurchlässigen Steinschicht machte überhaupt erst den Ackerbau möglich. Der Raseneisenstein hat damit maßgeblich unsere heutige Landschaft geprägt.

 

Wie wurde das Eisen gewonnen?

Die Verhüttung wurde in einfachen, zylindrisch bis konischen, schornsteinartigen Schachtöfen aus Lehm vorgenommen - sogenannten Rennöfen, die je nach Bauart auch über einer vertieften Herd- bzw. Schlackeabflussgrube errichtet wurden. Im Ofeninnern wurde das erzhaltige Material in wechselnden Schichten mit Holzkohle aufgetürmt. Deutlich mehr als 1000 Grad Celsius waren nötig, um das Metall von der Schlacke zu trennen und so nutzbar zu machen. Der Begriff Rennofen stammt vermutlich vom Herausrinnen der Schlacke beziehungsweise des flüssigen Eisens aus dem Ofen. Öffnungen im unteren Ofenbereich sorgten durch den Kamineffekt für den benötigten Sauerstoff (sog. 'selbst ziehende' Öfen).

 

Die kleinsten Öfen hatten Abmessungen von etwa 1,2 m Höhe und 0,6 m Durchmesser. Ein Ofen konnte nur einmal benutzt werden, denn nach der Verhüttung musste er zerschlagen werden, um an die Luppe (= die Eisenbrocken) zu gelangen. Heute sind daher keine Öfen mehr erhalten, sondern nur noch Reste der Rennfeuerschlacke. Die Luppen wurden durch wiederholtes Erhitzen und Hämmern auf Steinambossen von Schlackenbeimengungen befreit und zu größeren Eisenstücken zusammengeschweißt, aus denen eiserne Geräte geschmiedet werden konnten.

 

Die Verhüttungsplätze lagen häufig an Terrassenkanten über Flussniederungen und auf leichten Erhebungen. Wegen der Emissionen wurden sie meist abseits von Siedlungen errichtet. Das Erz sowie das Holz für die Kohle stammten in der Regel aus der unmittelbaren Umgebung. Verhüttungsplätze wurden nur saisonal, mitunter aber über mehrere Jahre genutzt.

 

Vor der Verhüttung wurde der Raseneisenstein durch Röstung mit Eisenoxid (Fe2O3) angereichert. Durch Erhitzen der Erzbrocken in offenem Feuer wurde Eisenhydroxid zu Eisenoxid dehydratisiert und störende organische Bestandteile sowie ein Teil des Schwefels im Erz entfernt. Durch Rösten nahm die Festigkeit des Erzes derart ab, dass es sich leichter in die benötigten Korngrößen (2–6 mm) zerkleinern ließ. Minderwertige Anteile mit hohem Sandanteil konnten außerdem so leichter abgetrennt werden.

 

 

Gab es noch eine weitere Verwendung für Raseneisenstein?

Auch wenn heute die Verhüttung von Raseneisenstein keine Bedeutung mehr in  der Wedemark hat, so ist dieses Material dennoch vielfach sichtbar, denn der gut bearbeitbare Raseneisenstein wurde auch als Baumaterial genutzt. Dazu musste der jeweilige Stein jedoch einen hohen Eisengehalt haben, denn Exemplare mit geringem Eisengehalt sind relativ mürbe und haben nur eine geringe Verwitterungsresistenz.

 

Beispiele in der Wedemark sind die überwiegend aus Raseneisenstein errichtete St. Michaeliskirche in Bissendorf, einzelne Fächer im Fachwerk der ehemaligen Krankenanstalt Bissendorf oder auch Fachwerkhäuser in Meitze.

 

Wedemarker Raseneisenstein wurde auch überregional als Baumaterial verwendet und kam vor ein paar Jahren im Wörlitzer Garten, dem ersten englischen Landschaftsgarten auf europäischem Festland, zu Einsatz. Die beim Hochwasser 2013 beschädigte “Hohe Brücke”, ein UNESCO-Weltkulturerbe, konnte mit Hilfe von Raseneisensteinen aus Gailhof restauriert werden.

 

Auch in Ortsnamen ist die Eisenverhüttung verewigt, bspw. leitet sich der erste Teil des Namens Isernhagen von Yser bzw. Yserne ab, was für „Eisen“ steht. Die Endung Hagene oder Hagen beschreibt ein Waldstück bzw. eine Einfriedung von Äckern, wie sie üblich war, um Tiere vom Ackerland fernzuhalten. In der Zeit von ca. 1900 bis 1920 wurde in Isernhagen Raseneisenstein gewonnen und durch die Straßenbahn zur Verhüttung abgefahren. Im Buch von Horst Moch "Deutschlands größter Straßenbahn-Güterverkehr Hannover 1899 - 1953" ist dazu auch ein Bild zu finden.

Und heute?

Auf dem Wöhler-Dusche-Hof des Nordhannoverschen Bauernhaus-Museums in Isernhagen kann die Eisenverhüttung auf dem Freigelände besichtigt werden und im Wietzenbruch gibt es eine historische Waldschmiede, die an die Eisengewinnung erinnert, aber heute nur noch notdürftig gepflegt wird. Eine sehr anschauliche Darstellung, wie aufwendig diese Eisengewinnung war, zeigt der Film “Sachgeschichte Schmied”.

 

Auch die Historische Arbeitsgemeinschaft hat sich des Themas angenommen und Spuren der Verhüttung in der Wedemark dokumentiert. Ein Film auf der Videoanlage des Richard-Brandt-Heimatmuseums zeigt den Versuch, in Langenhagen die Gewinnung von Eisen aus Raseneisenstein nachzustellen. Außerdem sind im Museum das Modell eines Rennofens und verschiedene Informationsblätter zur Hohen Brücke im Wörlitzer Garten ausgestellt.

 

Schauen Sie also gerne mal wieder vorbei - sonntags von 14 bis 17 Uhr. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.


Bildquellen

Raseneisensteinstücke: Foto von Tomasz Kuran aka Meteor2017, wikipedia, CC BY-SA 3.0

Rennofen: wikipedia, gemeinfrei

Reste eines Rennofens: Foto von Axel Hindemith, wikipedia, CC BY-SA 3.0

Fachwerkhaus in Meitze: Foto von losch, wikipedia, CC BY-SA 3.0

St. Michaeliskirche Bissendorf: Foto von losch, wikipedia, (c)

Hohe Brücke in Wörlitz: Foto von M_H.D, wikipedia, CC BY-SA 3.0